DIE SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR LOCALBAHNEN

Die Schweizerische Gesellschaft für Localbahnen - die Wiege der AB

Die Gründungsversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen (SLB) fand am 3.9.1872 in Olten statt. Die Gesellschaft bezweckte vor allem die Vervollständigung des bisherigen, mehr für den Transit berechneten Eisenbahnnetzes durch ein Netz von Lokalbahnen. Ihre Hauptaufgabe sah sie darin, auf eigene Rechnung, auf Rechnung Dritter oder mit gemischten Beteiligungen Lokalbahnen, Pferdebahnen sowie Schieb bahnen und ähnliche Verkehrsmittel zu bauen, die benötigten Kapitalien zu beschaffen und den Betrieb oder die Leitung dieser Bahnen zu übernehmen. Dabei war sie vollständig vom Basler Bankverein abhängig; dessen Grundstein wurde am 18.11.1854 durch der Zusammenschluss von sechs Bankhäusern gelegt. Er finanzierte die Gründung und die Anfänge der SLB.

Eine Fülle von Projekten

Kaum war die SLB ins Leben gerufen worden, knüpfte sie nach allen Seiten Kontakte und verhandelte über die Erstellung folgender Linien:

  • Bulle - Thun, Freiburg - Plaffeyen
  • Bremgarten - Affoltern - Hausen - Sihlbrugg
  • Stäfa - Wetzikon
  • Rheinfelden - Gelterkinden - Sissach
  • Lausanne - Echalens
  • Freiburg - Murten
  • Stansstaad - Beckenried
  • Glarus - Linthal
  • Bern - Worbtal - Walkringen - Sumiswald - Huttwil - Sursee
     

. . . und mehrere weitere Ideen.

Eine einzige gebaute Bahnlinie

Die gemeinsamen Anstrengungen der Initianten und des Bankvereins zusammen mit Bundesrat Dubs führten dann 1872 zum Abschluss eines Vertrages, der von der Direktion der SLB und Privaten aus Herisau, Waldstatt, Urnäsch, Appenzell und Gonten unterzeichnet wurde. Die geplante Linie Winkeln—Appenzell sollte den Grundstein legen für ein das ganze Land Appenzell durchziehendes Eisenbahnnetz.

Nachdem die Finanzierung der ersten Sektion, jener von Winkeltn - Herisau - Waldstatt - Urnäsch - Appenzell gesichert war, stand lediglich noch die Konzession aus. 1868 wurde durch Herisau das erste Gesuch an den Bundesrat eingereicht. Das Konzessionierungsverfahren zog sich danach in die Länge. Die Bundesversammlung erteilte dann aber mit Wirkung vom 1.10.1873 für die Dauer von 80 Jahren grünes Licht für den Bau der Appenzeller Bahn als Projekt der SLB. Der Baubeginn war auf 1. Juni 1874 festgelegt.

Am 12. April 1875 eröffntete die SLB die Strecke Winkeln–Herisau, die am 21. September bis Urnäsch verlängert wurde.

Das rasche Ende der SLB

1885 folgte die Umbenennung der Gesellschaft in Appenzeller Bahn-Gesellschaft, kurz Appenzeller Bahn. Dies war unter anderem eine Folge der dauernden Finanzknappheit, welche es der Gesellschaft verunmöglichte, die andern Projekte fortzuführen. Die Appenzeller Bahn konnte am 16. August 1886 die Weiterführung der Strecke zwischen Urnäsch und Appenzell in Betrieb nehmen, womit die konzessionierte Strecke vollendet - und das Schicksal der Schweizerische Gesellschaft für Localbahnen besiegelt - war.
 

Hommage an Jakob Steiger-Meyer, die grosse Gründerfigur

Wurde nach jahrelangem Ringen um Linienführung und Wahl der Spurweite 1872 von Volk und Behörden das Plazet zum Bau der AB im Verein mit der Schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen gegeben, so ist dies vor allem das Verdienst des Herisauer Kaufmanns Jakob Steiger-Meyer, der sich allen Anfeindungen zum Trotz für die Erstellung einer Eisenbahn von Winkeln über Herisau, Urnäsch nach Appenzell einsetzte.

Jakob Steiger, geboren 1833, stammte aus zürcherischen bäuerlichen Kreisen und durchlief nach Verlegung des elterlichen Wohnsitzes nach Zürich-Stadelhofen im Jahre 1836 die dortigen Stadtschulen. 1851 trat er als Lehrling in die Firma Bischoff & Co. in Teufen ein, eine Exportfirma für appenzellische Weberei- und Stickereiartikel mit eigenem Haus in London. Ab 1854 weilte er in London, wo er sich eingehend mit der englischen und schottischen Textilindustrie befasste.

Nach dreijährigem Auslandaufenthalt versuchte er sich in St.Gallen zu etablieren. Bereits im folgenden Jahr verlobte er sich und siedelte mit seinem Geschäft nach Herisau über, wo er sich bald einen guten Namen als erfolgreicher Geschäftsmann erwarb.

Entwickelte sich die Maschinenstickerei nach 1865 wieder zufriedenstellend, so war es mit der Qualität der einheimischen Bleicherei-Industrie schlecht bestellt. Es zeigte sich, dass die englischen und schottischen Behandlungsmethoden den schweizerischen überlegen waren; die behandelte Ware war weisser und reiner, ohne dass der Faden angegriffen war. Um Verluste durch vergilbte Waren zu vermeiden, wies Steiger im Frühjahr 1868 an einer Versammlung von Kaufleuten, Appreteuren und Bleichern auf die Notwendigkeit einer Verbesserung ihrer Industriezweige hin. Nachdem ein von Steiger engagierter schottischer Fachmann schonungslos auf die Mängel in der für das Gedeihen der Textilindustrie so wichtigen Bleichereibranche hingewiesen hatte, wurden mit Erfolg schottische Maschinen eingeführt.

In Herisau selbst entpuppte sich Steiger als grosser Förderer des Schulwesens. So finanzierte er während Jahren die auf seine Veranlassung im Herbst 1863 gegründete erste gewerbliche Fortbildungsschule in Herisau. Er setzte sich auch für die Umwandlung der Halbtagesschulen in dreiklassige Ganztagesschulen ein. In der Fürsorge leistete er in Zusammenarbeit mit seiner Gattin Pionierarbeit. Da es bis dahin im ganzen Kanton Appenzell Ausserrhoden noch kein einziges Krankenhaus gab, richtete er an der Schmiedgasse in Herisau eine Krankenstube für seine pflegebedürftigen Arbeiterinnen ein, die von einer Diakonissin des Mutterhauses Neumünster betreut wurden. Um auch Männer aufnehmen zu können, wurde auf seine Initiative das Gasthaus zum Bären in Herisau-Wilen erworben, umgebaut und dort Platz für 32 Patienten geschaffen.

Die letzten 15 Jahre seines Lebens entbehrten nicht einer gewissen Tragik. Mit dem Mut des nie Verzagenden gründete er als 60jähriger in London zwei Unternehmen für die Ausbeutung von Magnesit-Minen und von Marmorbrüchen in Griechenland. Erwies sich die Marmorgewinnung als Verlustgeschäft, entwickelte sich die Ausbeutung von Magnesit unter der Leitung seines jüngsten Sohnes zu einer Goldgrube.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Steiger im Kreise seiner Angehörigen in London. Als er im Herbst 1902 ernstlich erkrankte, zog er mit seinen Angehörigen wieder nach Herisau, wo er im dortigen Krankenhaus, das nicht zuletzt dank seiner Initiative gebaut worden war, bis zu seinem Tode am 6. April 1904 von Frau und Tochter gepflegt wurde.